Türkei definiert Road Map für die Automobilbranche

Die Autoindustrie gehört in Punkto Wertschöpfung und Exporte zu den führenden Branchen der Türkei. Das zuständige Ministerium hat dazu jetzt die Arbeiten zum Strategie- und Aktionsplan für 2016-2019 abgeschlossen. Das Strategiepapier sieht die Stärkung der Branche und die Fertigung einer eigenen Automarke vor

Mar-Apr 2016

Türkei definiert Road Map für die Automobilbranche

Neben der hohen Wertschöpfung spricht die Exportstärke eine deutliche Sprache: Seit 10 Jahren ist die Automobilindustrie hier ohne Unterbrechung führend, nachdem sie die traditionellen Spitzenbranchen Bekleidung und Chemie hinter sich gelassen hat. Nach Angaben des Exporteursrat der Türkei (TIM) führte die Autobranche die Liste der Exporteure 2015 mit Einnahmen i.H.v. 21,156 Mrd. USD erneut an. Das waren immerhin14,7% der Gesamtausfuhren des Landes im Jahr 2015 i.H.v. 143,7 Mrd. USD. Auf den weiteren Plätzen folgten Fertigkleidung mit  11,8% und Chemieerzeugnisse mit 10,7%. 

Ausfuhren in die USA nahmen um 65% zu. Deutschland weiterhin Absatzmarkt Nr. 1 der Türkei 

Die traditionell größten Abnehmer türkischer Waren sind europäische Staaten. Im vergangenen Jahr schafften es erstmals auch die USA und Israel in die Top 10. Ausfuhren in die USA legten gegenüber dem Vorjahr um 65% zu und erreichten 779 Mio. USD, während Israel türkische Waren im Wert von 498 Mrd. USD abnahm. Exporte nach Deutschland gingen zwar um 10% zurück, das Land ist jedoch weiterhin der führende Auslandsmarkt für die türkische Automobilindustrie. 2015 wurden dort Autos Made in Türkei im Wert von 3,3 Mrd. USD abgesetzt, gefolgt von Großbritannien mit 2,1 Mrd. USD (+8%), Frankreich mit 1,9 Mrd. USD, Spanien mit gut 1 Mrd. USD und Belgien mit 992 Mio. USD.

 71 von 243 F&E-Zentren arbeiten für die Automobilbranche 

Auf der Hauptversammlung des Verbandes der Automobilindustrie (OSD) im März diesen Jahres hob Verbandspräsident Kudret Önen die starke Leistung der Branche hervor. Die Fertigungskapazität betrage mittlerweile 1,75 Mio. Einheiten; das Ziel für 2016 sei der weitere Ausbau auf 1,85 Mio. Einheiten. Angesichts sich schnell wandelnder Kundenerwartungen müsse die Branche sich auf raschen Wandel einstellen und anpassen können. Önen wies darauf hin, dass die Wertschöpfungsstruktur in der Fertigung sich ändere, besonders wichtig seien hier die Aspekte Ingenieursleistungen und F&E sowie der Einsatz von Elektronik, neuen Materialien und neuen Technologien. Dieser Trend schlage sich in steigenden Kosten für Konstruktion und Entwicklung nieder, nicht von ungefähr seien von 243 F&E-Zentren in der ganzen Türkei 71 für die Automobilbranche tätig. Laut Önen haben OSD-Mitglieder ihre Forschungsbelegschaft in den vergangenen Jahren nahezu verdoppelt und die Anzahl ihrer Patentanmeldungen um 370% gesteigert. In 2015 waren 4.088 hochqualifizierte Mitarbeiter in den F&E-Zentren von OSD-Mitgliedern beschäftigt und haben zusammen 479 Patentanträge gestellt. Nach den Worten von Önen trägt die türkische Automobilindustrie damit unvermindert zur Entwicklung des Landes bei.

Strategiepapier und Aktionsplan 2016-2019 für die türkische Automobilindustrie verabschiedet 

Ein so wichtiger Wirtschaftszweig verdient die Unterstützung des Staates. Das Ministerium für Forschung, Industrie und Technologie hat dazu ihren Strategieplan für die nächsten vier Jahre vorgestellt. Er sieht unter anderem den Aufbau der Infrastruktur für eine nationale Automarke vor. Der vom Obersten Planungsrat gebilligte Plan trat nach Bekanntgabe im Gesetzblatt in Kraft. Er wurde in Koordination des Ministeriums und unter Beteiligung von öffentlichen Einrichtungen und interessierten Nicht-Regierungsorganisationen erstellt. Der Hauptzweck der strategischen Planung wurde definiert als „Verbreitung des Einsatzes von fortschrittlicher Technologie vermittels einer starken und wettbewerbsfähigen Zulieferindustrie und durch die Fertigung von Eigenmarken sowie Erhöhung der Wertschöpfung“. Die Planziele wurden wie folgt festgelegt:

•             Aufbau der Infrastruktur für die Fertigung einer eigenen Marke 

•             Verbesserung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Branche und ihrer

              Markenbildungskapazität

•             Schaffung der rechtlichen und verwaltungsmäßigen Grundlagen zur Branchenstärkung 

              Weitere Zielsetzung sind steuerliche Anreize für Fahrzeuge mit geringerem

              Kohlendioxidausstoß.

Zulieferindustrie setzt auf F&E und höhere Wertschöpfung 

Nicht anders als die Hauptindustrie entwickelt sich auch die Zulieferindustrie rasch weiter. Ihr Augenmerk liegt auf F&E und höherer Wertschöpfung. Der Zuliefererverband TAYSAD stellte dazu den Leitern und Ingenieuren der F&E-Abteilung von TOFAŞ sein Konzept „Gewichtseinsparende Technologien“ nebst Projekten vor, die er im Rahmen seiner eigenen F&E-Arbeiten umgesetzt hat. Weitere Forschungsfelder des Verbandes sind Energieeinsparungen und Elektrifizierung.

Zur Förderung der türkischen Zulieferindustrie sieht TAYSAD sich auch nach Verbündeten jenseits der eigenen Landesgrenzen um. Um die Möglichkeiten internationaler Zusammenarbeit zu erkunden, besuchte eine 40-köpfige Delegation eines der weltweit führenden Autoländer: Deutschland. In Bühl setzte man sich mit Vertretern der Firma Schaeffler zusammen, deren Marke LuK dort ihren Sitz hat. Bei dem 2-tägigen Besuch hatten die Gäste Gelegenheit, die Kompetenzen ihrer Gastgeber kennenzulernen und erste Schritte zu einer Beteiligung an Schaefflers Verkaufsnetz und andere Vorhaben zu unternehmen. Der „Tag der Zulieferer“ bot weitere Möglichkeiten zum Ausbau der Beziehungen. (Übersetzung: Dr. Uwe Fiedeldei)