Türkei, Europas Fertigungsstandort für Haushaltsgeräte

Mit einer Fertigungskapazität von 25 Mio. Einheiten und Ausfuhren von 75% ihrer Fertigung ist die Türkei Europas größter Lieferant für Weiße Ware.

Sept-Okt 2015

Türkei, Europas Fertigungsstandort für Haushaltsgeräte

Die Haushaltsgeräteindustrie der Türkei ist eine globale Macht und gehört dank ihres Beitrags zu Beschäftigung und Exporteinnahmen zu den wichtigsten Branchen der türkischen Wirtschaft. Der Verband der Haushaltsgerätehersteller der Türkei (TÜRKBESD) gibt die Jahresproduktion mit etwa 23 Mio. Einheiten an. Damit nimmt das Land - vor Deutschland und Italien – die Führungsposition in Europa ein. Dreiviertel der Fertigung werden ausgeführt; die Türkei ist damit auf diesem Gebiet der wichtigste Lieferant Europas. In einem Interview mit dem Verbandsorgan BEYSAD betonte TÜRKBESD-Präsident Ergün Güler das kontinuierlich hohe Wachstum der Haushaltsgeräteindustrie von 6% . Allein in den vergangenen 10 Jahren habe die Branche ihren Umfang verdoppeln können. Möglich geworden sei dies durch eine solide Infrastruktur, den intelligenten Einsatz von Technologie und qualifizierte Arbeitskräfte. Der Verbandspräsident beziffert die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze auf ein halbe Mio. Zu den 40.000 direkt Beschäftigten zählte er dabei die Mitarbeiter der etwa 15.000 Verkaufsniederlassungen, 3.500 Kundendienststellen und ca. 500 Zulieferfirmen hinzu.

Jahresfertigung von 23 Mio. Einheiten

Bereits die Basisdaten geben ein gutes Bild von der Stärke dieses Wirtschaftszweiges. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Produktions- und Ausfuhrdaten unterstützt diesen Eindruck. Nach Warengruppen stehen Kühlschränke an erster Stelle. Für 2014 sahen die Fertigungszahlen der wichtigsten Produkte wie folgt aus: Kühlschränke (6.658.866), Waschmaschinen (6.307.848), Herde und Öfen (4.247.037), Geschirrspüler (3.483.152); Tiefkühltruhen (963.064) und Trockner (935.908). Wurden in 2013 noch insgesamt 21.940.026 Einheiten an Weißer Ware hergestellt, waren es in 2014 bereits 22.595.875 (+3%).

Wichtiger Beitrag zur Wirtschaft durch Außenhandelsüberschuss

In 2014 nahmen die Ausfuhren der Branche gegenüber 2013 um 5,2% auf insgesamt 16.903.600 Einheiten zu. Das entspricht einem Export von 75% der Gesamtproduktion. Gleichzeitig gingen die Einfuhren um über ein Viertel (27%) auf 820.557 Einheiten zurück. Waschmaschinen gehörten mit 4.766.886 Einheiten zur wichtigsten Exportwarengruppe. Auf dem Binnenmarkt nahmen Kühlschränke mit 1.907.562 verkauften Einheiten den ersten Platz ein. Dank ihrer hohen Ausfuhren erwirtschaftet die Haushaltsgeräteindustrie einen Außenhandelsüberschuss. Verbandspräsident Güler ging in dem Interview auch auf die sehr positive Entwicklung in der ersten Jahreshälfte 2015 ein; der Umsatz erhöhte sich gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 10% und die Ausfuhren um 5%. Bereits in den ersten sechs Monaten habe man 12 Mio. Einheiten hergestellt.

Beschränkungen bei den Ratenzahlungen größtes Hemmnis auf dem Binnenmarkt

Im vergangenen Jahr verfügte die Bankenaufsicht (BDDK) eine Beschränkung der Raten bei Kreditkartenkäufen. Mehr als neun Raten sind nicht mehr zulässig. Das hat die Kauflust deutlich gebremst. Zuvor konnte die Branche Verkäufe auf bis zu 36 Monate strecken. Die Folgen der neuen Regelung machten sich noch im gleichen Jahr (2014) in einem Umsatzrückgang von 1,8% gegenüber 2013 bemerkbar.

Senkung der Sonderverbrauchssteuer (ÖTV) erwartet

Einen positiven Effekt verspricht die Branche sich von einer Senkung der Sonderverbrauchssteuer, die Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu auf einer Sitzung des Verbandes der Kammern und Börsen der Türkei (TOBB) jüngst für energieeffiziente Produkte angekündigt hat. Das Finanzministerium arbeite gegenwärtig intensiv an der Sache. Erwartet wird eine Steuerminderung um ein bis anderthalb Prozentpunkte. TÜRKBESDGeneralsekretär Öykü Korkmaz hält die Sondersteuer für anachronistisch. Weiße Ware sei längst kein Luxusgut mehr und die ÖTV darauf sollte ganz entfallen. Das würde der Branche einen wichtigen Wachstumsimpuls verleihen.

Die mit Abstand innovativste Branche

Ganz entscheidend zum Erfolg haben F&E und Innovationen beigetragen. Smarte Produkte fördern die Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten und zeichnen Hersteller gegenüber ihrer Konkurrenz aus. Laut Angaben des Türkischen Patentamtes (TPE) nimmt das Unternehmen Arçelik mit 158 Anträgen in der ersten Jahreshälfte 2015 den ersten Rang ein. Mit deutlichem Abstand – 20 Anträge – folgt BSH Haushaltsgeräte auf Platz zwei. Bereits im vergangenen Jahr war Arçelik mit 275 Patentanträgen Spitzenreiter.

Internationale Erfolge türkischer Unternehmen

Kräftige Investitionen in F&E und Innovationen haben türkischen Firmen zu globalen Verkaufserfolgen verholfen. Der Innovationsführer Arçelik allein exportiert mit seinen lokalen und globalen Marken in 130 Länder. Der Verkaufsdirektor des Unternehmens, Emin Bulak, erklärte der Zeitschrift BEYSAD gegenüber, dass Arçelik in vielen Ländern Europas, des Mittleren Ostens und Asiens aber auch in Südafrika und Australien entweder Marktführer sei oder einen Platz unter den ersten drei einnehme. Arçelik exportiert nach den Worten von Bulak 60% seiner Produktion und verfügt gegenwärtig über 14 Fertigungsstandorte in den Ländern Rumänien, Russland, China und Südafrika. Zuletzt wurde im Januar in Thailand der Grundstein für eine Fabrik gelegt.

Eine türkische Marke einer der beiden größten Player auf dem europäischen Fernsehmarkt

Vestel ist eine weitere bekannte türkische Haushaltsgerätemarke. Seit 17 Jahren ist das Unternehmen bereits die Nummer eins bei Elektronikexporten. 2014 wurde es auf sechs Gebieten mit dem „Exportstern“ ausgezeichnet. In seiner Dankesrede erklärte Vestel-CEO Turan Erdoğan, dass die „15.000 Personen starke Vestel-Familie für einen Anteil von 90% aller Fernseh- und 30% aller Haushaltsgeräteausfuhren verantwortlich ist.“ Das Unternehmen exportiere in 150 Länder und sei mit 21% Marktanteil bei Fernsehern in Europa einer der beiden Marktführer. Mit der Fertigung von Smartphones wolle man Technologie zum wichtigsten Exportgut der Türkei machen.

BSH, einer der größten Haushaltsgerätehersteller der Welt, investiert weiter in der Türkei, die nach Deutschland und China der größte Markt des Unternehmens ist. Gegenwärtig besitzt BSH dort sechs Fertigungsbetriebe. Der Gesamtwert seiner Investitionen beläuft sich auf über 1 Mrd. Euro und alljährlich kommen mindestens weitere 60 Mio. Euro hinzu. Norbert Klein, CEO von BSH Türkiye, kündigte eine Steigerung der Fertigungskapazität von gegenwärtig 4,5 Mio. auf 8 Mio. Einheiten über die nächsten 5 Jahre an, um damit die zukünftige Nachfrage aus Entwicklungsländern befriedigen zu können. Die Kapazitätsausweitung ist vorwiegend exportorientiert. Laut Klein hat BSH bereits einen Marktanteil von über 30% im Land. (Übersetzung: Dr. Uwe Fiedeldei)