Türkische Banken engagieren sich stärker an Projektfinanzierung

In den vergangenen Jahren hat Projektfinanzierung in der Türkei als Mittel zur Realisierung von Infrastrukturprojekten an Bedeutung gewonnen. Lange Zeit eine Domaine internationaler Finanzinstitute nimmt mittlerweile das Engagement türkischer Banken zu.

Türkische Banken engagieren sich stärker an Projektfinanzierung

Viele bekannte Großprojekte in der Türkei wie der Schienenverbund Marmaray, die 3. Bosporus-Brücke, die Autobahn Istanbul- Izmir, der 3. Flughafen für Istanbul, der Eurasien-Tunnel und die Erschließung der Seidenstraße per Eisenbahn wurden bzw. werden durch Projektfinanzierung umgesetzt. Bei dieser Methode werden Vorhaben nach Maßgabe des vom Vorhaben erwarteten Geldflusses finanziert. Dieses Verfahren findet nicht nur auf Verkehrsprojekte Anwendung, sondern auch bei Privatisierungen und Investitionen in Energie, Eisen und Stahl, Zement, Immobilien usw. Die Türkei wurde erst in den 1990er Jahren mit Konzepten wie Privatisierung und staatlich-privaten Partnerschaften wie dem Betreibermodell und seinen verschiedenen Umsetzungsformen bekannt, die international bereits seit langer Zeit genutzt werden. Bei solchen Vorhaben ist der Staat an der Projektrealisierung nicht beteiligt, sondern beschränkt sich auf Kontroll- und Aufsichtsaufgaben.

In der Türkei traten zunächst internationale Investitionsbanken als Partner in Großprojekten auf und gründeten dazu Vertretungen oder Zweigniederlassungen im Land. Ein führender Vertreter war die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die Infrastrukturvorhaben in der Türkei finanziert. Anfänglich lag der Schwerpunkt auf städtischen Trink- und Abwasserprojekten; heute stehen staatliche wie private Investitionen in Energie, Stromverteilung und Verkehr im Vordergrund.

Das Interesse türkischer Banken nimmt zu

Türkische Banken sind in den letzten Jahren wirtschaftlich soweit erstarkt, dass die Finanzierung von Großinvestitionen für sie interessant und machbar wird. Einer Meldung von Hülya Güler in der Zeitung Hürriyet zufolge haben türkische Geldhäuser in den fünf Jahren von 2009- 2014 mehr als 67 Mrd. USD zur Projektfinanzierung beigetragen. Ihr verstärktes Engagement in staatlich-privaten Partnerschaften bei Privatisierungen und Vorhaben nach dem Betreibermodell ging auf Kosten internationaler Banken, deren Anteil rückläufig ist. Von den o.g. 67 Mrd. USD stammen 45-55 Mrd. USD aus der Projektfinanzierung und der Rest aus Eigenmitteln. Etwa 90% der Finanzierung wird laut Hürriyet-Bericht von türkischen Banken bereitgestellt. Türkische Finanzinstitute bieten mit über 12 Jahren längere Laufzeiten als ausländische Geldgeber (5-7 Jahre) und sie sind flexibler und reagieren schneller auf Veränderungen. Deshalb genießen sie den Vorzug vor der ausländischen Konkurrenz.

Internationale Banken sind jedoch weiterhin bei Großprojekten aktiv. So gehört etwa die Deutsche Bank zu den Geldgebern der 6 Mrd. USD-teuren Autobahnverbindung Istanbul- Izmir. Auch die KfW IPEX-Bank unterstützt weiter Infrastrukturvorhaben in Energie, Eisen und Stahl, Zement, Flughäfen und Häfen. Und die Deutschen sind nicht die einzigen, die Großprojekte in der Türkei finanzieren. Am 1,26 Mrd. USD-teuren Eurasien-Tunnel sind neben den türkischen Instituten Garantie, Iş Bankası und Yapı Kredi, die Europäische Investmentbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), die koreanische Eximbank, die japanische Sumitomo Misui Banking Corporation, die britische Standard Chartered und die ebenfalls japanische Mizuho Bank beteiligt.

Staatlich-private Partnerschaftsprojekte

Das türkische Ministerium für Entwicklung gibt die Zahl der staatlich- privaten Partnerschaftsprojekte seit 1986 mit 183 an. Der Vertragswert dieser Vorhaben liegt bei über 102 Mrd. USD (Stand Oktober 2014). 153 Projekte wurden nach dem Betreibermodell realisiert, davon 80 nach dem BOT-, 5 nach dem BO- und 68 nach dem TOR-Modell. Von den in der Bauphase befindlichen Vorhaben fallen 19 in die BOT- und 11 in die BLT-Kategorie. Die Entwicklung der letzten Jahre sieht wie folgt aus 2010 (13 Projekte), 2011 (17), 2012 (9), 2013 (31) und 2014 (11). Nach Branchen geordnet stehen Investitionen in Flughäfen mit 66 Mrd. USD an erster Stelle, gefolgt von Energie (22 Mrd. USD), Straßenbau (11,7 Mrd. USD), Gesundheitseinrichtungen (9,5 Mrd. USD) und Häfen (2 Mrd. USD).

Um die für das Jahr 2023, den 100. Jahrestag der Gründung der Republik Türkei, gesetzten Ziele zu erreichen, werden auch in Zukunft Großprojekte umgesetzt werden. Allein die für Istanbul geplanten Vorhaben – Marmaray, 3. Bosporus-Brücke, 3. Flughafen, Eurasien-Tunnel und Kanal Istanbul – belaufen sich auf 60 Mrd. USD. Dazu kommen Privatinvestitionen in Energie, die Bauwirtschaft und Industrieanlagen. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass die Bedeutung der Projektfinanzierung weiter zunehmen wird.
(Übersetzung: Dr. Uwe Fiedeldei)